
Der Ursprung der Symmetrie in Kristallen und ihre Parallelen zur Harmonie im Sinne eines geometrischen Gleichgewichts wurden nicht nur von berühmten Kristallographen der Neuzeit wie dem Geochemiker Victor Goldschmidt (1888-1947), sondern schon lange vorher von antiken Philosophen wie Platon untersucht. Die aktuell am 15. Juni 2018 in der Wissenschaftszeitschrift Symmetry vorgestellte Arbeit der Freiberger Forschergruppe von Prof. Dirk C. Meyer basiert in großen Teilen auf diesen Ansätzen. Sie stellt einen atomistischen Wachstumsprozess vor, aus dem sich fundamentale Symmetrien von unären, d.h. nur durch eine atomare Spezies aufgebauten, Kristallen sowie quantitativen Aussagen zu deren Gleichgewichtszuständen ableiten lassen.
„Wir fragten uns zu Beginn der Diskussion nach den Zusammenhängen von ästhetischen Anmutungen bei der Betrachtung von Kristallen zum Verhältnis der Kategorien Harmonie und Symmetrie. Dr. Matthias Zschornak führt diesen Ansatz als federführender Autor bis zum Beleg, dass harmonische Prinzipien mit Symmetrien nicht nur verwandt, sondern grundlegend für deren Ausbildung sind“, erklärt Prof. Meyer.
„Die Beschreibung basiert dabei sowohl auf Wechselwirkungen der Anziehung als auch der Abstoßung und deren Reichweiten zwischen den Atomen“, verdeutlicht Dr. Zschornak. Dabei bilden sich für einen wachsenden Cluster von bereits wenigen Atomen hochsymmetrische Motive aus (siehe Abbildung Atomistische Kristallentstehung), u.a. auch die Platonischen Körper, die auf Maximierung der Anzahl an Gleichgewichtsabständen basieren und aufgrund der Begrenztheit des dreidimensionalen Raumes Kompromisse eingehen müssen. Für die atomaren Anordnungen im Kristall entstehen in Abhängigkeit von Variationen der Paarwechselwirkung die bekannten Gittersymmetrien von Metall- und Edelgaskristallen.
Die neun Autoren schließen ihren Aufsatz mit einem Ausblick auf die Erweiterung auf komplexere Systeme unter Anwendung der grundlegenden Aussagen mit den Worten des französischen Universalwissenschaftlers Henry Poincaré, der von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1912 wirkte (Science et méthode, p.25, Flammarion, 1908): "Es ist die Harmonie der verschiedenen Teile, ihre glückliche Ausgewogenheit, [...] die es uns erlaubt, das Ganze klar zu sehen und gleichzeitig mit den Details zu verstehen (C’est l’harmonie des diverses parties, leur heureux balancement ; […] ce qui nous permet par conséquent d’y voir clair et d’en comprendre l’ensemble en même temps que les détails)” .