
Durch die Übernahme des gleichnamigen Master-Moduls durch den Sächsischen Oberberghauptmann profitieren die TU Bergakademie Freiberg und ihre Studierenden von seinen umfangreichen praktischen und wissenschaftlichen Erfahrungen, die er am Forschungszentrum Jülich, der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie dem Sächsischen Oberbergamt gesammelt hat. Als ausgewiesener Lagerstättenexperte ist Professor Cramer ebenso Honorarprofessor an der Universität Hannover.
Professor Cramer, seit April 2021 unterrichten Sie das Modul Rohstoffgeologie fluider Kohlenwasserstoffe in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Organische Petrologie & Geochemie am Institut für Geologie. Was lernen Studierende bei Ihnen?
Prof. Bernhard Cramer: Studierende bekommen das Handwerkszeug für die explorierende Geologie an die Hand. Sie können am Ende des Moduls bewerten, ob und wie viel Erdöl und Erdgas in einem Sedimentbecken vorkommen. Gemeinsam mit den Studierenden untersuchen wir die biochemischen, physikalischen und chemischen Prozesse der Bildung von sedimentärem organischem Material, dessen Alterierung im Zuge der Diagenese und Inkohlung, die Genese von Erdöl und Erdgas im Muttergestein, deren Migration, ihr Phasenverhalten in Reservoirs, bis hin zur Dismigration aus den Lagerstätten. Die abschließende rohstoffgeologische Bewertung wird anhand des Konzepts der sogenannten integrierten Sedimentbeckenanalyse auf der Grundlage mathematischer Modelle umgesetzt. Im Seminar setze ich – trotz des aktuell virtuellen Formats – auf interaktiven Austausch, stelle Aufgaben, die von den Studierenden intensiv bearbeitet werden, und bespreche Fragen und Anliegen individuell mit den Teilnehmenden.Dr. Henny Gerschel: Mit dem neuen Modul wurde das Lehrangebot des Fachbereichs weiter ausgebaut. Im Bereich der Rohstoffgeologie fluider Kohlenwasserstoffe konnten wir Seminare bisher nur in einem 2-jährigen Turnus als Kompaktkurs anbieten. Mit dem neuen Format vermitteln wir unseren Studierenden nun ein weiter vertieftes Wissen. Daneben können Studierende bei uns derzeit beispielsweise Module zur Allgemeinen und Speziellen Lagerstättenlehre der fossilen Organite sowie zur Organischen Petrologie als Wissenschaftsdisziplin belegen.
Was macht die Erkundung der tiefen Sedimentbecken für Sie so spannend?
Prof. Bernhard Cramer: Sedimentbecken sind komplexe und sehr dynamische Reaktionsräume. Sie gelten als Georessource zur Gewinnung von Öl und Gas als chemische Grundstoffe und Energielieferanten, bieten immensen Speicherraum und dienen als geothermische Reservoirs. Das Verständnis um geologische Vorgänge der Beckenentwicklung, der physikalischen Bedingungen und der Umsetzungsprozesse setzt einen transdisziplinären Ansatz voraus. Für mich als Lehrenden an der TU Bergakademie Freiberg liegt die Spannung auch darin, dass verschiedene Fachbereiche zusammengeführt werden: Studierende der Geologie (vor allem Lagerstättenkunde, Sedimentologie / Stratigraphie und Paläontologie), der Geophysik und des Fluidbergbaus diskutieren gemeinsam Fragen der organischen Geochemie und der Sedimentbeckendynamik. Ich erwarte von dieser Zusammensetzung engagierte und fokussierte Beiträge!
Dr. Henny Gerschel: Neben den rohstoff- und lagerstättengeologischen Aspekten bildet das Verständnis dieser komplexen Reaktionen von der Bildung des organischen Materials über die Sedimentationsprozesse bis hin zu den geochemischen Veränderungen im Laufe der Inkohlung auch als Basis für grundlagenforschende Fragen der Paläoumwelt-Rekonstruktion sowie für Rückschlüsse auf das Umweltverhalten organischer Substanzen. Mit dem Wissen können Studierende nicht nur die geologischen Prozesse der Vergangenheit erfassen, sondern auch Vorhersagen für das Verhalten dieser wichtigen Ökosysteme und die Rohstoffversorgung in der Zukunft treffen.
Sind über die Lehre hinaus noch weitere Kooperationen des Oberbergamts mit dem Institut für Geologie geplant?
Prof. Bernhard Cramer: Der Kurs findet nun jährlich als zweisemestriges Modul statt, was mich sehr freut. Mein Kollege, Martin Herrmann, unterrichtet an der TU Bergakademie Freiberg außerdem das Fach Bergrecht im Bereich Öffentliches Recht. Über die Kooperationen in der Lehre hinaus möchte ich mich gern in eine intensivere Zusammenarbeit bei Bachelor-, Master- oder Diplomarbeiten einbringen. Was viele Studierende vielleicht nicht wissen: Das Oberbergamt bietet nicht nur IngenieurInnen sondern auch GeowissenschaftlerInnen berufliche Perspektiven. Als SachbearbeiterIn überwachen Freiberger GeowissenschaftlerInnen Bergbauprojekte, prüfen und lassen Betriebspläne zu. Sie bringen hier wertvolle interdisziplinäre Perspektiven in die Behördenarbeit ein!
Dr. Henny Gerschel: Das Oberbergamt und seine MitarbeiterInnen verfügen nicht nur über umfangreiche geowissenschaftliche Kenntnisse, sondern auch über ein Verständnis und einen breiten Erfahrungsschatz zu dessen praktischer Anwendung. Daher sind sie für uns auch in der Forschung starke Partner, mit denen wir künftig bei mehr oder weniger akademischen Fragestellungen zusammenarbeiten möchten.